Donnerstag, 12. Oktober 2017

Wenn das Training richtig schlecht läuft

Wer jetzt ein Rezept für ein Wundermittel erwartet, oder das übliche "fishing for comliments" nach dem Motto: "Uh, ich war eine Sekunde über der Zielpace, ich werde nie, nie, niemals meinen Wettkampf schaffen", den muss ich enttäuschen. 

Mein Ziel ist es, in diesem Blog mich und meinen Sport so ehrlich und auch vollständig wie möglich zu schildern. 
Dazu gehören eben nicht nur die Höhepunkte, wie gewonnene Wettkämpfe, tolle Trainingseinheiten, Läufe in herrlicher Landschaft in den Sonnenuntergang, schwimmen mit Delfinen und was es sonst noch so an Postkartenidyllen im Leben einer Triathletin gibt. 

Natürlich schreibe und poste auch ich lieber über Erfolge, tolle Leistungen und über meinen stahlharten Willen und perfekt funktionierenden Körper, die Realität sieht aber eben auch bei mir und nicht nur bei mir, oft anders aus. 

Es gehören auch Unfälle, Läufe im Schneeregen morgens um fünf, Schwimmtrainings morgens um fünf die nicht stattfinden (weil ich leider einfach im Bett liegen geblieben bin anstatt zum dringend nötigen Training zu gehen), Wettkämpfe bei denen nichts funktioniert und auch besonders Trainingsperioden, in denen man (ich) drei Schritte zurück und keinen nach vorne macht. 

Leider hört und liest man über solche Tiefs bei anderen ambitionierten Sportlern sehr wenig. Und wenn, dann oft nur als "Vorspiel" zu einem späteren, um so größeren Erfolg. 
Das macht es zumindest für mich um so schwerer, mit solchen Phasen umzugehen. 

Das mal eine Einheit so richtig in die Hose geht - geschenkt. Jeder hat mal einen schlechten Tag und die Form entwickelt sich selten so linear wie ich und der Trainingsplan es gerne hätten. 

Aber in meinem konkreten Fall geht es jetzt schon in die zweite Woche. Vor drei Wochen flutschte das Training nur so, keine Einheit zu lang, kein Intervall zu schwer. Das es dann letzte Woche härter werden würde, war klar. 

Mein Körper baut seine Form immer schon in Wellen auf. Inzwischen kann ich damit umgehen, breche auch mal ein Training ab wenn es gar nicht geht oder setze eher einen gefühlten Reiz, anstatt mich an die vorgegebene Pace zu klammern. 

Insofern nahm ich es hin, letzte Woche ein intensives Training auszulassen und das andere so gerade eben irgendwie hinter mich zu bringen. 
Ich hatte ansonsten keine Probleme meine Wochenkilometer zu laufen, machte mir also überhaupt keine Sorgen. 
Ich war also sicher, den Tempolauf heute, nach 2 kompletten Ruhetagen, im wahrsten Sinn des Wortes im Flug zu absolvieren. 

Aber nein, nach 8 von 18 Kilometern ist bei mir völlig die Luft raus. 
Ich werde langsamer, ziehe an, es wird anstrengender als es an diesem Punkt der Strecke sein sollte, ich denke mit Grausen an den verbleibenden Rest und bleibe erstmal stehen. 
Das ist eine ganz schlechte Idee. 
Ein Tempolauf unterscheidet sich nun mal von einem Intervall dadurch, das man durchläuft und eben nicht stehenbleibt.
Damit war das Training im Grunde also schon mal gescheitert. 
Jetzt hatte ich genau zwei Optionen. 
Entweder gleich abzubrechen oder die Einheit zumindest von der Distanz her noch zu Ende zu laufen.
Wenn ich tatsächlich begründet müde wäre, wenn mich etwas schmerzen würde, ich vielleicht das Gefühl eines aufziehenden Infektes oder andere Beschwerden hätte. 
Ich würde nach Hause laufen und abhaken. 
Ich horche also in mich rein und höre - nichts. 
Nur der absolute Unwille, auch nur noch einen Schritt in dem geplanten Tempo (und wenn ich ehrlich bin, in egal welchem Tempo) weiterzulaufen. 
Also ist es irgendwie ein mentales Problem. 
Nur nutzt diese Erkenntnis leider erst einmal - nichts.

Klar, ich habe Bücher über Mentaltraining gelesen. Es gibt Übungen und Strategien die einem helfen, solche Situationen im Training und Wettkampf zu bewältigen.
Nur habe ich die Erfahrung gemacht, das die Bereitschaft zumindest meines Gehirns, sich sozusagen gegen seinen Willen "überlisten" zu lassen, begrenzt ist. 
Viele dieser "Tricks" oder eben auch das gute alte "Zähne zusammenbeißen und sich selber in den Hintern treten" nutzen sich leider ab, das ist so eine Art Wettrüsten. 

Deshalb hebe ich mir mein Kontingent lieber für wirklich wichtige Situationen wie Wettkämpfe auf.

Wenn ich Pech habe und mich heute dazu zwinge das Ding auf Biegen und Brechen durch zu Ziehen, kann es sein das ich a) es trotzdem nicht schaffe (heute angesichts der verbleibenden Kilometer sehr wahrscheinlich) und b) was noch schlimmer wärenächstes Mal mit so einem schlechten Gefühl starte, das ich die nächste Einheit gleich mit weg schmeiße

Trotzdem ist der Tag - gelinde gesagt - im Arsch. 
Und wenn jetzt jemand der Meinung ist, ich messe dem viel zu viel Bedeutung zu, es ist schließlich nur Training, ich verdiene schließlich kein Geld damit, es gibt soviel wichtigere Dinge und weiter, und so fort, kann ich demjenigen nur folgendes Antworten:
Klar, es geht nicht um Leben oder Tod. 
Aber angesichts der Tatsache, das für viele meiner Mitmenschen schon ein Kratzer an
ihrem Auto, das Verpassen ihrer Lieblingsserie oder die Niederlage einer Fußballmannschaft (in der sie nicht einmal mitspielen!) eine Katastrophe bedeutet und die meisten sich auch nicht bei Ärzte ohne Grenzen oder Amnesty International aufopfern, bin ich der Meinung, das es jedem selbst überlassen sein sollte, wem oder was er Bedeutung zumisst oder auch nicht. 
Und da ich verdammt viel Blut, Schweiß und Tränen (im wörtlichen Sinn!) in meinen Sport stecke, dafür auf vieles verzichte und ich bis zum Marathon in Frankfurt genau noch 16 Tage Zeit habe, erlaube ich mir einfach mal, leicht oder ehrlicherweise eher mitttelschwer in Panik zu verfallen. 
Und zwar nicht weil ich Angst habe, nicht anzukommen, sondern weil ich mir nun mal ein bestimmtes Ziel gesetzt habe, welches nun mal nicht unmaßgeblich davon abhängt, das ich den verdammten Trainingsplan schaffe!

Aber es hilft nichts, ich trabe die restlichen 10 Kilometer nach Hause und tue mir selber leid. 
Blöderweise ist das die einzige Schlüsseleinheit dieser Woche. Der nächste (und vor dem Marathon letzte) 35 Kilometer lange Lauf mit 15 (!) Kilometer Endbeschleunigung ist schon am Samstag. Das heißt, nachholen kann ich die heutige Aufgabe nicht. Und wenn es Samstag so weiter geht - solche Gedanken machen es mir auf dem Nachhauseweg nicht angenehmer. 

Es gibt jetzt irgendwie leider auch kein Happy End. 
Ich werde morgen, am Donnerstag und am Freitag schön im GA 1 Tempo laufen und hoffen das es am Samstag wieder klappt. 
Wenn nicht - 
Plan B? Welcher Plan B? Hoffen das auf eine durchwachsene Vorbereitung ein guter Wettkampf folgt?

Wenn ich auch immer noch nicht eine buddhistische Gelassenheit gegenüber den Tiefpunkten meines Sports entwickeln konnte und es mir eben immer noch furchtbar wichtig ist zu erreichen was ich mir vorgenommen habe, gibt es doch etwas, was ich die letzten Jahre gelernt habe: 
Ich gebe wirklich fast immer mein Bestes. Und wenn das einfach nicht reicht, dann ist es eben so. 
ES IST WIE ES IST 

So, genug gejammert.
Ich halte euch auf dem Laufenden und wünsche euch viel Spaß und Erfolg und was immer ihr euch wünscht. 

Und solltet ihr ganz zufällig ein todsicheres Rezept in der Tasche haben um meine momentane Krise zu überwinden - immer her damit! Ich bin für jede Anregung dankbar!

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