Sonntag, 5. November 2017

DM Mainova Marathon Frankfurt 29.10.2017



10:00 h 
Ich stehe im Startblock "BMW"
Um mich herum 14 000 Menschen, neben mir Jan, mein Hase, Verpflegungsdirektor und Mentalcoach für diesen Tag.
Ich sehe mich um, es schnürt mir vor Aufregung die Kehle zu. 
Wieder einmal erscheint es mir unvorstellbar, über die Strecke von 42,195 Kilometern in einem Tempo zu laufen, welches ich im Training an manchen Tagen nicht mal für 3 Kilometer durchgehalten habe. 
Es ist kalt, recht windig, um mich herum andere Läufer, zappelig, manche ruhig, in den Ohren die unverständlichen Ansagen des Moderators und Musik.
Ich bekomme immer mehr Angst, aber plötzlich kommt mir ein Gedanke. 
Ich wende mich an Jan: "Egal wie das hier heute ausgeht, was passiert oder auch nicht, es ist ein Wunder das ich heute hier stehe und ich bin sehr sehr froh und dankbar und werde es genießen!"
Dann geht es los.
Bei mir entscheiden oft schon die ersten Meter darüber, wie der Wettkampf verlaufen wird. 
Je nachdem wie sich das geplante Tempo anfühlt, weiß ich sehr bald, ob es ein leichter oder schwerer Lauf wird. 
Beim Marathon muss sich das Tempo am Anfang ganz leicht anfühlen. Und das tut es. 


Also bremsen, bremsen, bremsen. 

Jan tut sein Bestes. 
So beginnen wir den Tag. 

Um uns herum sortiert sich das Feld, die Sonne kommt heraus und die Zuschauer bringen uns enthusiastisch auf den Weg. 
Wir laufen Seite an Seite und ich möchte nirgendwo anders sein als genau hier. 
Der Weg durch die Stadt vergeht wie im Flug und wir überqueren den Main. 
Jetzt merkt man den Gegenwind ein bisschen, ich versuche mich etwas hinter Jan zu verstecken aber wirklich schlimm finde ich es nicht. Da sind wir aus Hamburg schlimmeres gewöhnt und außerdem bedeutet es auf dem Rückweg Wind von hinten!
Es sind auch außerhalb Frankfurts viele Zuschauer an der Strecke, es wird nicht langweilig und nur Jan, der immer wieder mahnt Tempo raus zu nehmen, nervt ein wenig 😏
Aber ist halt sein Job und er hat natürlich recht. 

Ich liebe die Trommel-Bands, von mir aus können die alle 500 Meter stehen, ich bekomme Gänsehaut wenn ich sie schon von weitem höre.
Als der Halbmarathon Bogen kommt, kann ich es nicht glauben. 
Immer noch läuft es als wäre es ein entspannter langer Lauf im GA 1 Tempo. Ich bin nicht annähernd müde, trinke ab und zu, nehme schluckweise mein Gel, Jan macht einen tollen Job, auch wenn er in zunehmend schärferem Ton unser immer noch zu schnelles Tempo kritisiert. 
Jetzt "nur" noch nach Hause!
Bei Kilometer 22 habe ich dann einen kleinen Hänger, nicht körperlich, ich fühle mich nach wie vor toll, eher mental. Es ist noch weit und ich habe Angst was noch kommt. 
Als Reaktion darauf werde ich anscheinend schneller, denn Jan wird jetzt richtig sauer und droht damit mich laufen zu lassen wenn ich mich nicht zusammen reiße. 
Also besinne ich mich, konzentriere mich auf die nächsten 5 Kilometer Abschnitte. 
Ich liebe das Stück Landstraße. Es geht sanft bergab mit Rückenwind, man kann einfach rollen lassen. Ich horche in mich rein, 30 Kilometer und es geht mir fantastisch. 
Kilometer 32.
Nur noch 10 Kilometer!
Ein Zehner geht immer! 
Weiter, weiter. . . .
Kilometer 35. Noch eine Alsterrunde, mehr nicht?? 

Endlich lässt Jan mich laufen. 
Ich beschleunige ein bisschen und überhole Läufer für Läufer. 

Achtung, sieben Kilometer sind sieben Kilometer rede ich mir zu, gucke auf die Uhr. Pace 04:32 in dem laufenden Kilometer. 
Kurz kommt mir das alles total surreal vor. Wenn es denn ein Traum ist, hoffe ich das ich nicht aufwache!
Wir sind wieder in der Stadt. Hier mag ich es nicht so, ich erinnere das noch von 2015. 
Es wird enger, man läuft ständig um Ecken und man kann die Moderation aus der Festhalle hören ohne schon dort zu sein. 
Aber im Gegensatz zu von vor zwei Jahren bin ich noch frisch, noch 5 Kilometer, dann 4. 
Jetzt gucke ich nicht mehr auf die Uhr, laufe nur noch von 
Läufer zu Läufer. 
Bei Kilometer 40 dann die erste und einzige wirkliche Prüfung an diesem Tag.
Eine Winzigkeit von vielleicht 500 Metern Kopfsteinpflaster. 
Das haut dann doch ordentlich rein. Plötzlich erinnern mich meine Füße und meine Oberschenkel daran, dass sie jetzt allmählich keine Lust mehr haben. 
Ich komme aus dem Rhythmus und bekomme prompt Seitenstechen. 
Aber dann ist es auch vorbei. 
Noch 2 Kilometer. 
Ich will jetzt einfach ankommen. Ich habe schlauerweise auf meiner Uhr nicht die Gesamtzeit eingestellt und die 40 Kilometer Zeitanzeige irgendwie verpasst, aber das es eine PB wird, ist mir klar. 
Und egal welche Zeit am Ende auf der Uhr steht - das war der beste Marathon  den ich je gelaufen bin.

Ich biege endlich in die Festhalle ein. 

Viel zu kurz der Einlauf unter tosendem Beifall und Musik. 
Hinter der Ziellinie breche ich tatsächlich vor Freude und Erleichterung in Tränen aus. 

Eine wildfremde Läuferin nimmt mich in den Arm. 
Da kommt auch Jan, ich umarme ihn immer noch heulend, bekomme kaum Luft. 
Eine mitfühlende Helferin fragt mich, ob alles in Ordnung ist, aber es ist einfach nur Glück.

Wie knapp es im Endeffekt war wird mir klar als ich sehe, das ich eine Nettozeit von 03:14:55 Stunden erreicht habe!

Übrigens habe ich bei der Wertung für die Deutsche Meisterschaft "nur" Platz 5 belegt. 
Um aufs Treppchen zu kommen, hätte ich noch mindestens 5 Minuten schneller sein müssen.

Ein Video Zusammenschnitt dank ASICS:





Mehr Fotos wie immer unter FOTOS