Das Thermometer steht auf Minus 7 Grad und der Himmel strahlt in hellem Blau.
Ideales Wetter zum Laufen, doch leider, leider steht heute ein Radtraining an.
Schon ganz schön kalt.
Aber ich will es positiv sehen, kein Regen, kaum Wind, der Rest ist ja wohl nur eine Frage der richtigen Kleidung, oder?
Nun sind -7°C ja nur die reale Temperatur. Meine Wetter-App weist als "gefühlte Temperatur" - 10°C aus.
Das ist die aktuelle Temperatur kombiniert mit dem Windchillfaktor und der Luftfeuchtigkeit wenn man steht.
Aber ich will ja Radfahren. Also kommt leider noch der Fahrtwind als Chillfaktor hinzu.
Laut einer schlauen Formel, die ich im Internet gefunden habe, beträgt die tatsächliche Temperatur bei 30 kmh/h -21°C, nach einer neuen Formel immerhin noch -14°C.
Ich habe keine Ahnung warum dieser Wert nur durch Änderung der Formel plötzlich so divergiert, mir kommt es ein wenig so vor als würde man einfach behaupten, ab morgen kocht Wasser erst bei 120°C, aber ich beschließe auf jeden Fall dann die -14°C zu nehmen. Kommt mir kalt genug vor!
Nun also denn zur Kleidung.
Nachdem ich alles zusammen gesucht habe, sieht der Haufen aus als könnte man mit der Menge problemlos 3 Menschen einkleiden.
Oder aber 2 Wochen in Urlaub fahren.
Jan fragt süffisant, ob die 15 Kilo Klamotten einen zusätzlichen Trainingseffekt erzielen sollen, haha, da spricht derjenige, der gemütlich zu Hause bleibt.
Ich will euch den wirklich erstaunlichen Haufen natürlich nicht vorenthalten:
1) Füßlinge
2) Beinlinge
3) Thermo Skistrümpfe
4) Thermo Radhose mit Trägern
5) Kurze Tight zum Überziehen
6) Langes Unterhemd
7) Langes Fleecetrikot
8) Lange Thermo Radjacke
9) Soft-Shell Radjacke
10) Radschuhe
11) Heizbare Einlegesohlen
12) Wind - und Wasserdichte Überzieher
13) Frotteeüberzieher
14) Handschuhe
15) Mütze
16) Polar Buff mit Fleece
17) Helm
18) Sonnenbrille
Uff - nachdem ich in der Rekordzeit von einer halben Stunde alles angetüddelt habe und ein Stoßgebet losgeschickt ist, auf gar keinen Fall pinkeln zu müssen, sah das Ergebnis so aus:
Zugegeben, trägt etwas auf, aber geht schon.
Dann mal los, geplant sind 120 Kilometer - zügig.
Nach den ersten Metern ändere ich in Gedanken den Plan schon mal auf 100 Kilometer und ein "angemessenes" Tempo.
Angemessen bedeutet im Einzelnen, angepasst an den Zustand meiner Beine nach dem gestrigen Krafttraining und angepasst an meine Kältetoleranz bei steigendem Tempo.
Diese Kältetoleranz ist bei mir ohnehin schon nicht sehr ausgeprägt.
Ich friere eigentlich immer.
Ich schaffe es selbst auf langen Läufen bei 15°C Außentemperatur auf den letzten 10 Kilometern vor Kälte mit den Zähnen zu klappern, anderen rinnt da noch der Schweiß runter!
Vom Schwimmen in kaltem Wasser gar nicht zu reden.
Die ersten Kilometer durch die Stadt gehen eigentlich ganz gut, mir ist nicht kalt, besonders die Einlegesohlen bescheren mir kuschelige Füße. Das Tempo beim Ampelhopping zwangsläufig moderat.
Allerdings beschlägt die Sonnenbrille bei jedem Halt blitzartig, ich bin danach die ersten Meter buchstäblich blind. Also erst bremsen, dann schnell die Brille irgendwie hochschieben, weiterfahren, Brille wieder zurechtrücken und weiter.
Das nervt, aber später sollten sich die Stopps ja in Grenzen halten.
Endlich auf dem Land, Tempo aufnehmen und los.
Jetzt wird es doch deutlich ungemütlicher.
Abgesehen davon, das ich wirklich müde Beine habe und mein Puls irgendwie auch nicht in Schwung kommt (war ihm bestimmt zu kalt!), fällt die Temperatur gefühlt pro schnellerem Kilometer in der Tat um mehrere Grade.
Es ist mir unmöglich mein Buff aufs Kinn runter zu ziehen. Das Gesicht und die Lippen frieren sofort ein.
Aber wenn ich das Tuch über den Mund ziehe, bekomme ich kaum Luft.
Bei jedem Einatmen das Tuch ansaugen, furchtbar.
Durch die Nase atmen ist auch zu kalt.
Ich muss fürs nächste Mal irgendeine Möglichkeit finden, das Gesicht zu bedecken und trotzdem Abstand vom Mund zu haben.
So nach 50 Kilometern füge ich mich in mein Schicksal. Langsam es einfach hinter mich bringen, ist die Devise.
Schlauerweise hatte ich einen Riegel in das unterste Radtrikot gesteckt, da komme ich zwar nicht dran ohne anzuhalten, aber dafür ist er nicht tiefgekühlt um so in in meinem Mund zu zersplittern.
Allerdings ist mein Flaschenmundstück eingefroren, nachdem ich mit Mühe den Deckel abgedreht habe, komme ich in den Genuss von halbgefrorenem Wasser auf das mein Magen extrem ungnädig reagiert.
Das Wetter ist wirklich herrlich, wenn ich auch trotz Sonnenbrille gegen die tiefstehende Sonne zum Teil kaum etwas sehen kann.
Nach 70 Kilometern will ich aber trotz der ganzen Herrlichkeit nur noch nach Hause.
Mir wird allmählich wirklich kalt, ich habe Hunger und vor allem richtig Durst.
Ich habe Visionen von meiner wunderschönen Trainingsrolle, die einsam und ziemlich ungenutzt in der warmen Wohnung auf mich wartet.
Die restlichen 30 Kilometer sinniere ich darüber, ob so ein Training wirklich Sinn macht.
Gefühlt ist die Anstrengung zwar ziemlich hoch, aber von den tatsächlichen Werten ist es eher unterer GA1 Bereich.
Nun ist ein Trainingseffekt ja nicht immer nur eine Frage der Fakten, es gibt ja auch den psychologischen, mentalen Nutzen, eine gefühlte Anstrengung ist meiner Meinung nach oft auch sehr effektiv und 100 Kilometer, bzw. fast 4 Stunden hätte ich auf der Trainingsrolle sowieso im Leben nicht absolviert.
Also sehe ich es positiv, mein Fettstoffwechsel hat bestimmt etwas abbekommen, mein Po gewöhnt sich weiter an meinen harten Sattel und der warme Tee hinterher ist einfach unbezahlbar!
Das war jetzt meine letzte Radeinheit diese Woche, nächste Woche soll es ja wieder wärmer werden.
Bestimmt regnet es dann, aber irgend etwas ist ja immer!
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